Quelle: www.stadtlandmama.de
„Ich heiße Maike und ich bin eine Frühchen-Mama. Diese Zeit war hart und sich schreibe diese Zeilen für all diejenigen, die in ihrem Bekannten-oder Freundeskreis Frühchen-Eltern haben und nicht genau wissen, wie sie damit umgehen sollen…Ich möchte meine Geschichte mit Euch teilen, um deutlich zu machen, in welch schwierige Welt Frühchen-Eltern katapultiert werden und welches Drum-herum es noch schwerer macht.
Eine normale Schwangerschaft dauert etwa 40 Wochen. Frühchen sind Babys die vor der 37.Schwangerschaftswoche („ssw“) zur Welt kommen und dann noch außerhalb der Gebärmutter nachreifen müssen. Manche Kinder mehr, manche weniger. Manche Kinder kämpfen sogar ums Überleben.
Wir hatten „Glück im Unglück“ und unser Sohn kam bei 31+6 zur Welt. Dies ist für Frühchen ein mittleres Alter und stellt weniger Risiken dar. Weil die Schwangerschaft nicht unkomliziert war, wussten wir, dass unser Kind wohl früher zur Welt kommen muss und es bekam Lungenreifespritzen, was ihm den Start ins Leben erleichterte. Denn dadurch musste er nicht beatmet werden, sondern brauchte nur etwas zusätzlichen Sauerstoff.
Unser Sohn war zu jung und zu klein (1.550gr) für die „Intermediate Care Unit“, jedoch zählte er auf der Intensivstation schon zu den reiferen und wenig kritischen Fällen. Hier lagen Frühchen, die künstliche Darmausgänge brauchten oder tägliche Punktionen am Gehirn über sich ergehen lassen mussten. Es gab dort sogar ein Baby, das in der 24. SSW mit 380 Gramm zur Welt kam.
Alle Eltern dieser Kinder haben eins gemeinsam: Angst um das Baby. Angst vor dem, was noch vor einem liegt. Angst vor den Folgen der Frühgeburt, Angst vor Bindungsstörungen. Angst, wie das Baby behandelt und versorgt wird, wenn man selbst nicht da ist.
Dazu Inkubator, Beatmungschlauch, Magensonde, Infusionsschläuche/Zentrale Venen Katheter, Infektionen, Gelbsucht und Phototherapie. All diese Worte…
Dann diese vielen Monitore, von denen ständig einer Alarm schlägt. Und immer denkst Du: „Bitte lass es nicht unser Monitor sein!“
Es gibt kein Wochenbett, kein Kuscheln, kein Erholen von der Schwangerschaft und Geburt. Bei mir persönlich kein ordentliches Zusammenziehen der Gebärmutter. Kein Wochenfluss. Milch alle 3 Stunden abpumpen, kalte Maschine, kein seeliges Lächeln.
Auch im Krankenhaus, ständig fremde Menschen die mich nackt beäugen. Keine Gewöhnungsphase in dieser sensiblen Zeit. Viele Stunden im Sitzen statt im empfohlenen Liegen.
Als wäre das nicht alles hart genug, sind viel zu viele Menschen sehr unbedacht mit mir umgegangen. Sicher nicht mit böser Absicht. Ich hörte Sätze wie:
„Wir können dann ja nächstes Wochenende zusammen mit euch und dem Lütten Spazieren gehen“. (Nein, das können wir nicht. Unser Baby ist auf der Frühchen-Intensivstation)
„Ich bin in zwei Wochen in Hamburg, dann komme ich euch mal Zuhause besuchen“ (Nein, das kannst du nicht. „Wir“ sind nicht Zuhause. Unser Baby ist auf der Frühchen-Intensivstation. Und auch im Krankenhaus kannst du uns nicht besuchen, es ist nicht die „Wöchnerinnenstation“. Wir wollen hier keinen Besuch.)
„Habt eine schöne Kuschelzeit zu Dritt.“ (Nein, die haben wir nicht. Wir durften unser Baby erst nach 24 Stunden halten und dann nicht streicheln. Das vertragen Frühchen nicht gut. Nichts ist schön und wir sind nicht zu Dritt. Nie. „Wir“, das sind mehrere Dutzend Ärzte, Intensivkinderkrankenschwestern, Physiotherapeuten, Musiktherapeuten, Eltern anderer Frühchen, andere Frühchen.)
„Macht Ihr Rooming-In?“ (Nein. Unser Baby ist auf der Frühchen-Intensivstation.)
„Wann wird er entlassen?“ (Diese Frage brennt sich uns Frühchen-Eltern schon vor der Geburt ins Herz. Wir haben keine Antwort. Wir bekommen keine Antwort. Euer Nachfragen hilft nicht.)
„Was? Er wird frühestens in 5 Wochen oder zum ursprünglichen Geburtsterminentlassen?“ (Ja. Wir finden das unerträglich lang. Aber wir haben keine Wahl)
„Was? Du verlässt das Krankenhaus ohne dein Baby? Wow! Respekt! ICH könnte das nicht.“ (Nein, das verdient keinen Respekt. Wir hatten auch hier keine Wahl. Ohne das Krankenhaus wäre er gestorben. Soll ich ihn da raus klauen, wegen meiner Sehnsucht? Das wäre nicht, was ich unter Elternschaft verstehe)
„Den meisten Frühchen sieht man das ja nicht mehr an. Eine Bekannte hat einen 18 Jährigen Sohn, der ist „auch normal“. (Erst einmal kann keiner das absehen und es ist eben die komplette Bandbreite möglich. Dann ist die Perspektive nicht gerade hilfreich, denn auch wenn in 18 Jahren alles gut sein sollte, so liegen vor uns vielleicht weitere harte Monate oder Jahre mit Therapien nach der Entlassung. Du weißt es nicht. Mutmaße bitte nicht. Und was ist eigentlich „Normal“)
„Was? Dein Baby hat sein Gewicht seit der Geburt schon verdoppelt? Pass auf das dein Baby nicht zu dick wird!“ (Ich bin glücklich über jedes Gramm, in jedem Gramm steckt für mein Baby und für mich sehr viel Arbeit. Mehr Arbeit als üblich. Denn Trinken lernen müssen Frühchen viel früher als reif geborene Babys. Es ist ein enormer Kraftakt. Zudem habe ich Sorgen, aber bestimmt nicht, dass mein Baby zu dick werden könnte, selbst wenn es aus jeder Norm fiele. Mein Baby lebt. Ich bin dankbar, ergriffen und demütig.)
„Also mein Kind/das Kind von x konnte ja mit x Monaten laufen!“ (Auch vor der Frühchen-Erfahrung hielt ich diese Vergleiche für Blödsinn. Und jetzt? Jetzt erst recht! Mein Baby lässt sich nicht mit reif geborenen Babys vergleichen. So einfach ist das. Und es ist mir völlig egal ob er mit 9 oder 18 Monaten läuft. Ich freue mich sobald er es schafft, wann auch immer das sein wird. Auch an dieser Stelle: Ich bin so glücklich, dass mein Baby lebt.)
Welche Fragen ich mir gewünscht hätte?
Ein einfaches „Wie geht es Euch“ oder „Ich denke an Euch“ oder „Ich wünsche Euch alles Liebe“ – das wäre toll gewesen. Ich wollte nicht ständig alles ins Detail erklären, dafür fehlte mir die Kraft.
Die größte Stütze war für mich mein Partner. Weil er der einzige war, der genau wusste, wie mein Alltag aussieht. Denn es war ja auch seiner. Und auch die Psychologin der Frühchen-Intensivstation war toll und sehr verständnisvoll.
Wenn Ihr also Frühchen-Eltern kennt: Stellt keine konkreten Fragen. Habt keine Erwartungen. Habt ein offenes Ohr. Versucht mitzufühlen. Ich wünsche Euch und Euren Freunden viel Kraft in dieser Zeit und alles Glück der Welt.